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von Marcelo Crescenti am 01. November 2017
Die Revolution findet an einem äußerst friedlichen Ort statt: In der niederländischen Touristenstadt Noordwijk an der Nordseeküste testet Evert de Boer, Franchise-Nehmer der Kaufhaus-Kette Hema, als einer der ersten europaweit den Einsatz von digitalen Etiketten sowohl an den Regalen als auch an den einzelnen Bekleidungsstücken. Dynamic Pricing in der Praxis - die TextilWirtschaft hat sich vor Ort umgeschaut.
Die dynamische Preisgestaltung sieht vor, den Wert eines Produkts je nach Nachfrage und Marktlage zu ermitteln. Im Internet wird diese Strategie bereits häufig angewendet, dort ändern sich die Preise vieler Produkte teilweise von Minute zu Minute. Nun schwappt der Trend auch auf den stationären Einzelhandel über.
„Beim Dynamic Pricing geht es uns zunächst darum, Artikel rechtzeitig zu reduzieren“, sagt de Boer. „Es geht aber auch darum, den großen Aufwand zu verringern, den wir mit dem Umetikettieren der Ware haben.“
Das Hema-Kaufhaus in Noordwijk.
Zunächst hat der Händler Regaletiketten des Anbieters SES eingeführt. Seit vergangenem Sommer testet er ebenfalls elektronische Preisschilder des finnischen Anbieters MariElla Labels, die an den einzelnen Kleidungsstücken angebracht und auch wiederverwendet werden. Sie beinhalten ein Display, das Preise und auch Rabatte zeigt. Die Angaben werden per Knopfdruck verändert – der Befehl dazu aus dem Zentralcomputer wird über an der Decke angebrachte Antennen übermittelt.
„Mit den Etiketten können wir einzelne Produktbereiche automatisch reduzieren – zum Beispiel T-Shirts nur in einer bestimmten Farbe oder Hosen in einer bestimmten Größe.“ Etwa, wenn ein bestimmtes Produkt schlecht läuft. Noch macht de Boers Truppe die Änderungen manuell am Computer. „Ich kann mir aber gut vorstellen, dass künftig ein Algorithmus diese Funktion übernimmt.“ZZ#„Mittelfristig wird das Tagging der Ware auf drei Ebenen möglich sein“, sagt Holger Kohlwey, bei MariElla Labels für den Vertrieb in Zentraleuropa zuständig. „Die elektronischen Labels werden dann entweder im Store, im Logistikzentrum oder direkt beim Zulieferer angebracht. Das hätte den Vorteil, dass man die gesamte Supply Chain abbilden könnte – etwa in Verbindung mit der RFID-Technik.“
Holger Kohlwey
De Boer ist von der Technik angetan und will den Einsatz der elektronischen Etiketten erweitern. Es gibt auch Überlegungen innerhalb der Hema-Franchise- Organisation, das System in weiteren Filialen in den Niederlanden einzusetzen.
Derweil denkt der Händler bereits über den nächsten Schritt nach: In wie weit kann man Preise von gut laufenden Artikeln auch erhöhen und so die eigene Marge verbessern? Etwa bei Handschuhen und Schals, wenn es anfängt zu schneien? Einen Test machte er im vergangenen Sommer mit den bestverkauften Größen im Beachwear-Sortiment. Kein einziger Kunde habe sich beschwert oder darüber gewundert, sagt er.